Grenzwerte der Gewässerschutzverordnung häufig überschritten
«PSM wurden in allen untersuchten Stillgewässern gefunden, je nach Standort zwischen vier und 29 PSM», sagt Projektleiter Etienne Vermeirssen, «Und in der Hälfte der Biotope wurden die Grenzwerte der Gewässerschutzverordnung bis zu 25-fach überschritten.» Am häufigsten – in fünf der zwölf Biotope - wurde der Grenzwert vom Insektizid Cypermethrin überschritten: Dieser hochgiftige Wirkstoff gehört zur Gruppe der Pyrethroide und wird etwa gegen Schädlinge im Kartoffel-, Rüben-, Raps-, Gemüse- oder Obstanbau eingesetzt. «Die meisten untersuchten Gebiete sind wichtige Laichgebiete für Amphibien, von denen 70% in der Schweiz bereits gefährdet sind», sagt Etienne Vermeirssen. «Daher ist es wichtig, dass diese in Zukunft besser vor PSM geschützt werden.»
Die chronischen Qualitätskriterien gemäss Gewässerschutzverordnung (mehr zu den Grenzwerten und Umweltqualitätskriterien: siehe ganz unten) wurden von Cypermethrin maximal um das 25-fache überschritten, vom Herbizid Nicosulfuron um das 8-fache und von Chlorpyrifos um das 2-fache. Chlorpyrifos ist in der Schweiz bereits seit 2020 verboten. Bei Cypermethrin wurde auch das akute Qualitätskriterium überschritten, das vor Effekten durch kurzzeitige Belastungen schützen soll und laut Gewässerschutzverordung zu keinem Zeitpunkt überschritten werden sollte. Ebenfalls überschritten wurden die vom Oekotoxzentrum vorgeschlagenen chronischen Qualitätskriterien für die Pyrethroide Deltamethrin (1180-fach), lambda-Cyhalothrin (18-fach) und Permethrin (5-fach). Weitere weniger gut abgesicherte ad-hoc Qualitätskriterien wurden von Cyfluthrin (60-fach), von Tefluthrin (39-fach) und von Bifenthrin (5-fach) überschritten, bei denen es sich auch um Pyrethroide handelt. Permethrin ist nur als Biozid zugelassen und nicht als PSM.
Besonders kritisch sind Pyrethroide
Bei fast allen kritischen Stoffen handelt es sich um Pyrethroide, Nervengifte, die die Ionenkanäle in den Nerven blockieren. Pyrethroide sind erst vor kurzem ins Auge der Öffentlichkeit geraten, da sie früher analytisch kaum nachweisbar waren. Untersuchungen der Eawag haben gezeigt, dass die Stoffe in Bächen regelmässig Qualitätskriterien überschreiten, ab denen eine chronische und teilweise sogar akute Schädigung von Organismen möglich ist.
Ungeachtet der Risikoklasse wurden in allen Stillgewässern PSM gemessen und es gab keinen klaren Zusammenhang mit der zuvor bestimmten Risikoklasse. Für das Stillgewässer, das mit 29 Einzelstoffen am meisten PSM enthielt, war ein nur geringes Risiko abgeschätzt worden. In zwei Dritteln der Stillgewässer wurden chronische Qualitätskriterien für einzelne PSM überschritten (siehe Abbildung), bei einem Drittel der Stillgewässer auch akute Qualitätskriterien. Die chronischen Qualitätskriterien wurden für 21 PSM überschritten, die akuten Qualitätskriterien für sieben PSM.
Verschiedene Eintragswege spielen eine Rolle
«Wir sehen, dass die PSM ihren Weg in die Biotope nationaler Bedeutung finden, obwohl diese geschützt sein sollten», sagt Etienne Vermeirssen. Für die untersuchten Amphibienlaichgebiete und Flachmoore war erwartet worden, dass PSM hauptsächlich über Wasser eingetragen werden. Als Quellen sind hier Oberflächenabfluss, Auswaschung und Drainagen denkbar, aber auch Abfluss von versiegelten Flächen oder Einträge durch die Kanalisation, die via Fliessgewässer ins Biotop gelangen. «Wir sind aber inzwischen überzeugt, dass auch der Eintrag über die Luft eine Rolle spielt», erklärt Etienne Vermeirssen. «Im Rahmen des Projekts haben unsere Projektpartner Carbotech und Basel-Stadt nämlich Luft und Regen analysiert und dort zahlreiche PSM nachgewiesen.»
Ein Ausbreitungsversuch zeigte, dass nach der Applikation eines PSM die Luft in weiterer Entfernung mit dem Wirkstoff belastet war und sich PSM wohl noch Stunden nach der Anwendung im Feld verflüchtigen. So können einige PSM auch grossräumig verfrachtet werden und über den Regen selbst weit entfernte Böden und Gewässer belasten. «Jetzt ist eine gute Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel wichtig, um sicherzustellen, dass die hier untersuchten empfindlichen Ökosysteme in Zukunft angemessen geschützt werden», sagt Vermeirssen.
Mehr Informationen finden Sie in den Berichten auf der Projekt-Webseite.
Ökotoxikologisch basierte Schwellenwerte in Gewässern
Das Oekotoxzentrum hat für zahlreiche Substanzen aus Daten zu ihrer Ökotoxizität Umweltqualitätskriterien (UQK) abgeleitet. Dies sind Schwellenkonzentrationen, oberhalb derer empfindliche Organismen in ihrer Gesundheit, Fortpflanzung und Entwicklung beeinträchtigt werden können. Man unterscheidet zwischen akuten Qualitätskriterien, die vor dem Auftreten kurzfristiger Effekte, und chronischen Qualitätskriterien, die vor längerfristigen Effekten schützen sollen. 19 dieser UQK für PSM wurden in die Schweizerische Gewässerschutzverordnung übernommen, sind also damit gesetzlich verankert. «Ad hoc» -UQK beruhen auf weniger Toxizitätsdaten und können daher nur eine Orientierung darüber geben, ob ein Risiko bestehen könnte.
Photo: Adrian Michael