13. November 2020, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Sedimentökotoxikologie
Genetische Strichcodes zur Sedimentbewertung
Der Artenreichtum und die Anzahl von Oligochaeten können verwendet werden, um die Sedimentqualität in Flüssen und Seen zu bewerten. Der Einsatz von Hochdurchsatz-Sequenzierung erlaubt eine verlässlichere Bestimmung der Tiere und macht die Methode insgesamt praxistauglicher.
Sedimente spielen für die Gewässerqualität eine wichtige Rolle: Sie sind der Lebensraum vieler Organismen an der Basis der Nahrungskette und speichern zahlreiche Schadstoffe. Diese Schadstoffe können bei Hochwasser remobilisert und wieder ins Wasser abgeben können. Daher wird die Sedimentqualität von vielen Kantonen regelmässig überwacht, meist mit Hilfe von chemischen Analysen. Als Ergänzung sind jedoch biologische Analysemethoden wichtig, da nur sie die Verfügbarkeit und Toxizität der Sedimentschadstoffe anzeigen. Als Bioindikatoren sind besonders Sedimente-lebende Ringelwürmer aus der Gruppe der Oligochaeten geeignet: Oligochaeten-Indizes wurden entwickelt, um die biologische Sedimentqualität in Flüssen und Seen zu bewerten. Sie basieren darauf, welche Oligochaetenarten und wie viele Einzeltiere pro Art am Standort leben.
Strichcodes für Schweizer Oligochaeten
Das Bestimmen von Oligochaeten unter dem Mikroskop erfordert allerdings einige Erfahrung und ist auch nicht bei allen Tieren möglich. Für die genetische Bestimmung der Tiere wird ihre DNA extrahiert und ein kurzer Abschnitt sequenziert, der bei Einzeltieren einer Art sehr ähnlich ist. Die Abfolge der Basenpaare wird dabei wie der Strichcode auf Lebensmittel-Verpackungen als Kennzeichen für eine bestimmte Art verwendet. Durch einen Vergleich dieser DNA-Sequenz mit einer Referenzdatenbank ist es möglich, die Tiere eindeutig zu bestimmen. Das Oekotoxzentrum arbeitet in Moment daran, eine Referenzdatenbank für alle Oligochaetenarten der Schweiz zusammenzustellen.
Hochdurchsatz-Sequenzierung von markierten Einzeltieren
Werden alle Organismen einer Umweltprobe sequenziert, kann man allerdings nicht herausfinden, wie viele Tiere pro Art vorhanden sind. Daher hat das Oekotoxzentrum ein System entwickelt, das auf der Hochdurchsatz-Sequenzierung von Oligochaeten basiert, die während der Vervielfältigung der DNA mit einem eindeutigen genetischen Marker versehen wurden. «Die Methode kann genau bestimmen, welcher Anteil jeder Oligochaetenart in einer Probe vorhanden ist», erklärt der Projektverantwortliche Régis Vivien. «Sie ist für den Routineeinsatz aber nur praktikabel, wenn nicht zu viele Einzeltiere pro Standort untersucht werden müssen, idealerweise nicht mehr als 50.» Als Vergleich: Unter dem Mikroskop müssen jeweils mindestens 100 Tiere bestimmt werden, um die Sedimentqualität zu bewerten. Um zu beurteilen, wie sich die Methode bewährt, verglichen Régis Vivien und seine Kollegen den Erfolg der genetischen Bestimmung an zahlreichen Standorten mit der traditionellen Bestimmung nach Aussehen: und zwar an 13 Standorten in Fliessgewässern der Schweiz und 7 Standorten am Genfersee.
Molekulare Bestimmung von 33 Einzeltieren pro Standort reicht aus
Die Forschenden bestimmten jeweils entweder 33 oder 66 Einzeltiere pro Standort genetisch oder 100 Tiere morphologisch und berechneten die Oligochaeten-Indizes. Es zeigte sich, dass der genetische Ansatz gut mit dem morphologischen Ansatz übereinstimmte. Tatsächlich lieferte die genetische Analyse von 33 Tieren pro Standort bereits genug Information, um die biologische Sedimentqualität zu bewerten. Obwohl weniger Einzeltiere genetisch analysiert wurden, wurden genauso viele Arten identifiziert wie bei der morphologischen Analyse. Dies liegt daran, dass bei der genetischen Analyse auch Tiere bestimmt werden können, die schwierig oder unmöglich aufgrund ihres Aussehens zu bestimmen sind. Die Hochdurchsatz-Sequenzierung einer kleinen Zahl von markierten Einzeltieren ist also geeignet, um die Oligochaeten-Vielfalt und die Zahl der Individuen pro Art zu bestimmen und damit die biologische Sedimentqualität zu bewerten. «Ein neuer Ansatz, der vielversprechend für den Routineeinsatz der Zukunft aussieht», freut sich Régis Vivien.
Mehr Informationen
Vivien, R., Apothéloz-Perret-Gentil, L., Pawlowski, J., Werner, I., Lafont, M. & Ferrari, B.J.D. (2020) High-throughput DNA barcoding of oligochaetes for abundance-based indices to assess the biological quality of sediments in streams and lakes. Scientific Reports 10, 2041. https://doi.org/10.1038/s41598-020-58703-2