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Inge Werner: Abschied vom Oekotoxzentrum

30. August 2021, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Bodenökotoxikologie Sedimentökotoxikologie Risikobewertung

Inge Werner: Abschied vom Oekotoxzentrum

Neun Jahre lang hat Inge Werner das Oekotoxzentrum geleitet und es in dieser Zeit erfolgreich etabliert. 2019 hat sie die Leitung im Rahmen einer gleitenden Pensionierung abgegeben. Jetzt tritt Inge per Ende August 2021 in Ruhestand und kehrt in ihre Wahlheimat Kalifornien zurück. Im Folgenden erzählt sie über ihre Leidenschaft für Ökotoxikologie und schwierige Regeln in Schweizer Waschküchen. 

Was ist dir aus deiner Zeit am Oekotoxzentrum besonders in Erinnerung geblieben?

Das Engagement und der Teamgeist der Mitarbeitenden, die sich mit fundiertem wissenschaftlichem Wissen, viel Überzeugung und Herzblut für den Schutz der Umwelt vor Schadstoffen einsetzen. Es hat viel Spass gemacht, mit ihnen zusammen an einem Strang zu ziehen, und wir haben sehr viel geleistet.

Was waren die grössten Herausforderungen?

Für uns war es zunächst schwierig, die Bedürfnisse der Stakeholder, insbesondere der Behörden, zu verstehen. Wir kommen zum grössten Teil von der universitären Forschung. Diese beiden Welten zu verbinden war nicht einfach. Denn an akademischen Fragestellungen zu arbeiten und die Ergebnisse an die Wissenschaftsgemeinschaft zu kommunizieren, ist etwas völlig anderes als regulatorische Massnahmen zum Schutz der Umwelt zu bestimmen, diese zu vermitteln und durchzusetzen. Gleichzeitig ist es natürlich ungeheuer wichtig, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden, und wir arbeiten mit Begeisterung daran. Ich denke, ich kann das stellvertretend für alle Mitarbeitenden des Oekotoxzentrums sagen.

Wie bist du überhaupt zur Ökotoxikologie gekommen? Und was motiviert dich besonders daran?

Ich habe ja auf dem 2. Bildungsweg studiert und war schon 27 Jahre alt, als ich mein Biologiestudium angefangen habe. In dieser Zeit, also in den 80er Jahren, waren die Gewässer in Deutschland sehr verschmutzt – im Rhein wollte niemand schwimmen und Nitrat im Grundwasser war in vielen Gebieten schon damals ein grosses Problem. Es gab auch die entsetzlichen Unfälle bei dem Sandoz-Brand in Schweizerhalle und der Kernschmelze im AKW von Tschernobyl. Der Schutz der Umwelt – insbesondere des Wassers als Grundlage unseres Lebens – war und ist mir ein grosses Anliegen. Leider gab es damals das Studienfach Ökotoxikologie noch nicht. So habe ich Limnologie als Hauptfach studiert und mich gleichzeitig im Arbeitskreis Wasser, einer Umweltschutz-NGO in Freiburg im Breisgau, engagiert. Allerdings konnte ich erst mit meiner Doktorarbeit in Kalifornien richtig in ein ökotoxikologisches Thema einsteigen, und während der Postdoc-Zeit an der UC Davis trat dann auch die Pestizid-Forschung in den Vordergrund.

Wie war es für dich, nach 2 Jahrzehnten in den USA wieder nach Europa zurückzukehren?

Nicht so einfach. Ich hatte damals das Gefühl, mich auf Deutsch nicht mehr richtig ausdrücken zu können und musste manche Regeln in der Schweiz erst lernen (zum Beispiel  in der Waschküche J). Dabei haben mir aber die Kolleginnen und Kollegen und die Nachbarn sehr geholfen. In der Schweiz habe ich mich schnell wohlgefühlt. Ich denke, das lag daran, dass ich in Südbaden in einem sehr ähnlichen Kulturkreis und mit einem ähnlichen Dialekt aufgewachsen bin. Trotzdem war ich stolz, als ich mein erstes Telefonat mit einer Schweizerdeutsch-sprechenden Person ohne Patzer hinter mich gebracht hatte.

Die europäischen Ökotoxikologie-Experten kannte ich noch nicht besonders gut. Das hat sich durch meine Mitarbeit im Vorstand des deutschsprachigen Zweigs der SETAC (Society of Environmental Toxicology and Chemistry) aber schnell geändert. Auch durch die SETAC GLB-Jahreskonferenz, die wir 2015 in Zürich organisiert haben, sind viele Verbindungen entstanden. Ich schätze diese Gemeinschaft sehr. Man hat einfach eine gute gemeinsame Grundlage, die verbindet: das Bestreben, eine gesunde Umwelt zu erhalten.

Und wie geht es nun weiter für dich? Worauf freust du dich besonders?

Ein bisschen konnte ich ja schon in den letzten 2 Jahren für den Ruhestand üben. Zuerst möchte ich mich ein Weilchen treiben lassen, mir Zeit für Familie und Freunde nehmen. Glücklicherweise bin ich gesund und habe vor, so lange wie möglich durch die Natur zu wandern und zu reisen. Meine berufliche Erfahrung würde ich gerne noch weiter nutzen, am liebsten über das Unterrichten, und zwar möglichst in weniger entwickelten Ländern, die das vermittelte Wissen brauchen und einsetzen möchten.

Links

Interview Pensionierung Inge Werner

Link zu Videointerview auf Youtube
Gespräch mit Inge Werner anlässlich der Übergabe der Leitung im November 2019

Zur Person

Ursprünglich stammt Inge Werner aus Bräunlingen im Schwarzwald-Baar-Kreis in Deutschland. Zunächst absolvierte sie eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin (Englisch, Französisch, Spanisch) und arbeitete für einige Jahre in diesem Beruf. An der technischen Oberschule in Freiburg machte sie anschliessend Abitur und erhielt als Schulbeste den Scheffel-Preis. Von 1984 bis 1990 studierte Inge Biologie mit den Schwerpunkten Limnologie, Mikrobiologie und Hydrologie, und zwar in Freiburg, Konstanz und San Francisco.

Nach einer freiberuflichen Tätigkeit als Limnologin arbeitete sie in an der San Francisco State University in Tiburon (USA) und der Universität Mainz an ihrer Doktorarbeit, in der sie toxische Effekte auf Amphipoden im Sediment erforschte. Während ihres Studiums und ihrer Doktorarbeit wurde Inge von der Studienstiftung des Deutschen Volkes und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert. Für ihren Postdoc wechselte Inge an die University of California in Davis, wo sie im Anschluss als Research Scientist arbeitete. Von 2005 bis 2010 war sie dort Direktorin des Aquatic Toxicology Laboratory und Adjunct Professor. Zusammen mit staatlichen und lokalen Behörden leitete sie Projekte im Bereich aquatische Ökotoxikologie. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit lag auf den subletalen Effekten von Pestiziden auf Wasserorganismen.

2010 übernahm Inge die Leitung des Schweizerischen Zentrums für angewandte Ökotoxikologie (Oekotoxzentrum). Dieses setzt sein ökotoxikologisches Wissen für Behörden und Firmen ein, bildet Fachleute aus und dient als Kompetenzzentrum für angewandte Ökotoxikologie in der Schweiz. 2019 gab Inge die Leitung im Rahmen einer gleitenden Pensionierung ab (das Oekotoxzentrum wird seitdem von Benoit Ferrari geleitet) und blieb in Teilzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Mentorin. Jetzt freut sie sich auf den neuen Lebensabschnitt, den sie zusammen mit ihrem Mann überwiegend in ihrer zweiten Heimat Kalifornien verbringen wird.

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