02. November 2021, Thema: Risikobewertung Aquatische Ökotoxikologie
Oekotoxzentrum als Partner in EU-Gremien
Das Oekotoxzentrum setzt sein Expertenwissen für den Gewässerschutz in Europa ein, indem es in verschiedenen wichtigen EU-Gremien mitarbeitet. So unterstützt es die technische Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU im Bereich Ökotoxikologie.
Die Wasserrahmenrichtlinie der EU setzt den rechtlichen Rahmen für den Gewässerschutz in Europa. Eines ihrer Hauptziele ist die Erreichung eines "guten chemischen Zustands" aller Oberflächengewässer in den 27 Mitgliedstaaten. Dieser gute chemische Zustand wird durch die Einhaltung der Umweltqualitätsnormen (EQS = environmental quality standards) definiert, verbindlicher Schwellenwerte zum Schutz der Wasserökosysteme und der menschlichen Gesundheit. Diese Werte werden für alle prioritären Substanzen bestimmt: also diejenigen Stoffe, die für Mensch und Umwelt als besonders gefährlich gelten. Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) ist das Oekotoxzentrum in verschiedenen Arbeitsgruppen vertreten, die diese EQS bestimmen, überprüfen und aktualisieren.
23 neue EU-Grenzwerte in der Pipeline
Die Liste der prioritären Substanzen enthält momentan 45 Substanzen. Die Working Group Chemicals überprüft alle paar Jahre, ob die Liste ergänzt werden muss, ob es aktuellere EQS-Werte für bereits bestehende prioritäre Substanzen braucht und ob Substanzen von der Liste gestrichen werden können – zusammen mit dem BAFU arbeitet das Oekotoxzentrum hier aktiv mit. Andere Arbeitsgruppen unter der Führung des EU Joint Research Centres bestimmen momentan EQS-Werte für 23 Substanzen, die neu in die Liste der prioritären Stoffe aufgenommen werden sollen – auch in diesen Arbeitsgruppen ist das Oekotoxzentrum aktiv.
Bei den Stoffen handelt es sich um drei Östrogene (Estron ,17 β-Estradiol und Ethinylestradiol), drei Antibiotika (Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin), zwei Schmerzmittel (Diclofenac und Ibuprofen) ein Antiepileptikum (Carbamazepin) und 12 Pestizide, darunter die Neonikotinoid-Insektizide Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Thiacloprid und Thiamethoxam, die Pyrethroid-Insektizide Bifenthrin, Deltamethrin, Esfenvalerate und Permethrin, die Herbizide Glyphosat und Nicosulfuron sowie das Biozid Triclosan. Weitere Stoffe sind die Industriechemikalie Bisphenol A sowie Silber. Auch für die Gruppe der perfluorierten Substanzen (PFAS) wird ein neuer Summengrenzwert bestimmt. So trägt das Oekotoxzentrum dazu bei, dass in der EU harmonische und breit abgestützte Grenzwerte erarbeitet werden, die auch der Schweiz nützlich sind. Das Oekotoxzentrum hat für viele dieser Substanzen in den vergangenen Jahren bereits selbst EQS erarbeitet.
Höhere Effizienz durch Onlinesitzungen
«Die EQS werden auf Basis von ökotoxikologischen Studien für die jeweilige Substanz bestimmt», sagt Marion Junghans. Diese Studien bespricht die verantwortliche Arbeitsgruppe in Onlinesitzungen und legt zunächst fest, ob sie sich zur EQS-Herleitung eignen, das heisst ob sie verlässlich und relevant sind. Dann bestimmen die Arbeitsgruppenmitglieder auf dieser Basis den EQS. «Wir tauschen uns darüber aus, welche Methode geeignet ist, welche Unsicherheiten bestehen und welche Sicherheitsfaktoren verwendet werden sollten», erzählt Marion Junghans. Die finalen Berichte zu den EQS enthalten auch Daten zum Umweltvorkommen der jeweiligen Substanz in den Mitgliedsländern. «Durch die Coronapandemie wurde die Durchführung von Videokonferenzen viel einfacher, was den Austausch in diesen Arbeitsgruppen enorm gefördert hat», so Alexandra Kroll, die ebenfalls in den Arbeitsgruppen mitarbeitet. Die Reisen wurden weniger, die Sitzungen mehr.
Substanzpriorisierung im Norman-Netzwerk
Das Oekotoxzentrum ist ausserdem Mitglied des Norman-Netzwerks (Network of reference laboratories for monitoring of emerging environmental pollutants). Dieses priorisiert auf EU-Ebene diejenigen Substanzen, die für die Umwelt möglicherweise ein Problem darstellen. Dazu werden die Ergebnisse zum Vorkommen in den Oberflächengewässern der EU in Datenbanken erfasst und mit Daten zur Toxizität der Substanzen für Umweltorganismen verglichen. Die Toxizitätsdaten werden ebenfalls in einer Datenbank erfasst, an deren Weiterentwicklung Marion Junghans mitarbeitet.