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Schadstoffmonitoring von Schweizer Sedimenten

25. Mai 2022, Thema: Sedimentökotoxikologie Risikobewertung

Schadstoffmonitoring von Schweizer Sedimenten

Das Oekotoxzentrum hat eine Strategie zur Bewertung der Sedimentqualität entwickelt. Darin werden die gemessenen Konzentrationen von bedenklichen Einzelstoffen mit neu erarbeiteten Sediment-Qualitätskriterien verglichen. Ein Einsatz der Methode in Schweizer Sedimenten gibt eine erste Idee über den aktuellen Zustand.

In den letzten Jahren hat das Oekotoxzentrum eine Strategie zur Bewertung der Sedimentqualität in der Schweiz etabliert. Denn obwohl der Gewässerboden der bevorzugte Lebensraum von Wasserorganismen ist und sich dort viele Schadstoffe anreichern, werden Sedimente im Gewässermonitoring nicht ausreichend berücksichtigt. Für das Sediment-Monitoring empfiehlt das Oekotoxzentrum insgesamt 20 Substanzen oder Substanzklassen. Darunter sind einige klassische Sedimentschadstoffe wie Metalle, polychlorierte Biphenyle (PCB) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) aber auch neue Substanzen wie Pestizide, Arzneimittel und Inhaltsstoffe von Körperpflegeprodukten (siehe Tabelle). Die Stoffliste kann je nach Art des Gewässers, den vorhandenen Schadstoffquellen und den Zielen der Studie angepasst werden.

Zu wenig Daten zur Sediment-Toxizität

Für diese ausgewählten Stoffe hat das Oekotoxzentrum Sediment-Qualitätskriterien (SQK) erarbeitet: Diese Werte geben an, ab welcher Konzentration schädliche Effekte auf Sedimentorganismen nicht ausgeschlossen werden können. Die SQK stehen neu auch auf der Webseite des Oekotoxzentrums zur Verfügung (www.oekotoxzentrum.ch/qualitaetskritierien/...). Als «Kochbuch» für die SQK diente den beteiligten Wissenschaftlerinnen dabei der technische Leitfaden der EU für die Ableitung von Wasser-Qualitätskriterien, der auch eine Anleitung für Sedimente enthält. Die Genauigkeit der Methode hängt jedoch von der Anzahl der verfügbaren Toxizitätsdaten ab. «Für fast die Hälfte der Substanzen gibt es nicht genügend Toxizitätsdaten für Sedimentorganismen, die für die Ableitung verwendet werden können», betont Projektleiterin Carmen Casado-Martinez. Zum einen fehlen Daten aus Versuchen mit Sedimenten, die mit einer bekannten Schadstoffmenge versetzt wurden. Zum anderen können die existierenden Studien oft nicht verwendet werden, da sie die notwendigen Kriterien nicht erfüllen oder wichtige Informationen fehlen.

In diesen Fällen wurden die SQK aus den chronischen Qualitätskriterien der Substanzen für Oberflächengewässer und ihrem Verteilungskoeffizienten zwischen Sediment und Wasser berechnet oder erhielten wegen der schlechten Datenlage grosse Sicherheitsfaktoren. Wegen der höheren Unsicherheit werden solche SQK als vorläufig betrachtet. Für die Sedimentbewertung wird die Konzentration der Schadstoffe im Sediment chemisch bestimmt und mit den SQK verglichen. Je nach Grad der Überschreitung der SQK wird das Sediment anschliessend einer von 5 Qualitätsklassen zugeordnet. Vorläufige SQK können nicht zur Einteilung in Qualitätsklassen verwendet werden. Um die Methode zu validieren, wurde sie 2018 auf 18 kleine Schweizer Bäche mit unterschiedlichen Schadstoffquellen angewendet. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild (siehe Tabelle).

PAK und PCB in kleinen Bächen

PAK und PCB wurden in den Sedimenten regelmässig nachgewiesen und überschritten ihre SQK am häufigsten. Da alle PAK einen ähnlichen Wirkmechanismus haben, können die toxischen Risiken für die Einzelstoffe addiert werden, um das Risiko der Mischung zu bewerten. Aufgrund dieses Mischungsrisikos wurde die Sedimentqualität an mehreren Standorten als unbefriedigend oder schlecht eingestuft. PCB sind besonders bedenklich, da sie sich in Organismen und der Nahrungskette anreichern können. «Die SQK für PCB sind vorläufig, können aber verwendet werden, um besonders belastete Standorte zu priorisieren», sagt Carmen Casado-Martinez.

Insgesamt wurden in der Studie 4 Metalle erfasst, die ebenfalls zu den klassischen Sediment-Schadstoffen gehören, nämlich Kupfer, Blei, Quecksilber und Zink. Die Blei- und Quecksilberkonzentrationen erreichten nie die SQK. Die Zink- und Kupferkonzentrationen dagegen lagen jeweils an mehreren Standorten über den SQK, was dort zu einer mässigen oder schlechten Sedimentqualität führte. «Dies liegt daran, dass der Einsatz von Blei und Quecksilber in den letzten Jahrzehnten eingeschränkt wurde», erklärt Carmen Casado-Martinez. «Kupfer und Zink hingegen gelangen immer noch über viele verschiedene Quellen in die Gewässer».

Perfluorierte Stoffe, Antibiotika und Östrogene in Sedimenten

Die Studie berücksichtigte auch Stoffe, die in der Schweiz noch nicht regelmässig in Sedimenten überwacht werden. Ein Beipiel sind die perfluorierten Verbindungen, die etwa in Löschschäumen und Beschichtungen eingesetzt werden. So wurde PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), das als Indikator für eine Belastung mit perfluorierten Stoffen vorgeschlagen wird, an den Messstellen regelmässig nachgewiesen, ebenso 12 andere perfluorierte Verbindungen. Die PFOS-Konzentration überschritt jedoch an keinem der Standorte das SQK für eine direkte Toxizität.

Die Studie liefert ausserdem Hinweise darauf, dass sich Antibiotika und östrogene Hormone in Sedimenten anreichern. Für das Antibiotikum Ciprofloxacin wurde das (vorläufige) SQK nie überschritten. Das synthetische Hormon Ethinylestradiol wurde nie nachgewiesen, das natürliche Hormon 17β-Estradiol jedoch an 8 Standorten und das natürliche Hormon Estron an allen ausser einem. Die SQK für die drei Hormone, die auf der Grundlage von Wasserqualitätskriterien berechnet wurden, liegen unterhalb der analytischen Nachweisgrenzen – daher wurden sie an allen Standorten überschritten, an denen die Stoffe nachgewiesen wurden.

Phthalate, PBDE und andere

Ausserdem war die Konzentration von Phthalaten an zahlreichen Standorten erhöht, einer Stoffklasse, die hautsächlich in Kunststoffen eingesetzt wird. Obwohl das Indikator-Phthalat DEHP (Diethylhexylphthalat) das SQK nie überschritt, sollten Phthalate wegen einer möglichen Summentoxizität dennoch überwacht werden.

Polybromierte Diphenylether (PBDE), die als Flammschutzmittel eingesetzt werden, wurden häufig nachgewiesen, überschritten aber an keinem der Standorte die SQK für eine chronische Toxizität. Tonalid, Octylphenole und Nonylphenole wurden ebenfalls mehrfach unterhalb ihres SQK nachgewiesen. Auch das Lösungsmittel Hexachlorbutadien HCBD (ein halogenierter Schadstoff aus der EU-Liste der prioritären Substanzen) lag in Konzentrationen weit unterhalb des SQK vor.

SQK für Pestizide unterhalb der Nachweisgrenze

Es wurde auch vier Pflanzenschutzmittel quantifiziert: nämlich das Herbizid Diuron, die Insektizide Chlorpyrifos und Cypermethrin und das Fungizid Tebuconazol. Die Bewertung dieser Substanzen war an vielen Standorten nicht möglich, da die analytischen Bestimmungsgrenzen oberhalb der SQK liegen. Chlorpyrifos überschritt an mehreren Standorten das (vorläufige) SQK und wurde in einigen Fällen sogar in Konzentrationen gemessen, die in Labortests toxisch für Sedimenttiere sind. Die Verwendung von Chlorpyrifos ist seit 2019 weitgehend verboten. Für Diuron und Tebuconazol gab es nur einen Standort, an dem das SQK überschritten wurde. Cypermethrin konnte nie bewertet werden, da die Konzentrationen stets unter der Nachweisgrenze lagen.

Die Ergebnisse geben einen ersten Überblick über den Zustand der Schweizer Sedimente und über die Stoffe, die im Rahmen von Sedimentmonitoringkampagnen überwacht werden sollten. Für einige Stoffe konnten nur vorläufige SQK bestimmt werden, so dass diese Werte mit Vorsicht betrachtet werden müssen. Ausserdem bedeutet die Überschreitung der SQK nicht unbedingt, dass sich die Organismengemeinschaft verändert oder die Stoffe direkt toxisch wirken. «Die Bioverfügbarkeit der Schadstoffe kann in ähnlich belasteten Sedimenten je nach den Umweltbedingungen sehr unterschiedlich sein. Aus diesem Grund sollten SQK nur als Screening-Methode verwendet und immer mit zusätzlichen Informationen ergänzt werden», sagt Carmen Casado-Martinez. «Am Oekotoxzentrum prüfen wir bereits verschiedene ergänzende Methoden wie Biotests oder die Analyse von Lebensgemeinschaftsanalysen, um auch hier Empfehlungen zu geben.»

 

Weitere Informationen

Casado, C., Wildi, M., Ferrari, Benoit J.D., Werner, I. 2021. Strategie zur Beurteilung der Sedimentqualität in der Schweiz. Studie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt. 

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