04. November 2019, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Risikobewertung Sedimentökotoxikologie
Wie wirken Pflanzenschutzmittel auf Schweizer Fische?
Die in Schweizer Fliessgewässern nachgewiesenen Pflanzenschutzmittel stellen ein Risiko für die dort lebenden Fische dar. Schädliche Auswirkungen auf Fische besonders durch subletale und indirekte Effekte sind in den gemessenen Konzentrationen möglich.
Der Fischbestand der Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen. Dazu beigetragen haben verschiedene Faktoren wie der Verlust von natürlichen Lebensräumen, die Klimaerwärmung und die Gewässerbelastung mit hormonaktiven Stoffen und Pflanzenschutzmitteln (PSM) und Bioziden. Um die Belastungen der Fischfauna durch PSM zu ermitteln, hat das Oekotoxzentrum die Risiken und möglichen Wirkungen spezifisch für Fische analysiert. Projektpartner waren das Bundesamt für Umwelt, die Universität Bern und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau.
Die NAWA SPEZ Messkampagnen von 2012, 2015 und 2017 haben gezeigt, dass PSM in Schweizer Fliessgewässern ein Risiko für wasserlebende Organismen darstellen. Das Oekotoxzentrum hat nun mit Hilfe dieser Messdaten das Risiko der PSM für Fische abgeschätzt und besonders relevante PSM identifiziert. „Dazu haben wir fischspezifische Risikoschwellen hergeleitet, die nur Toxizitätsdaten für Fische berücksichtigen“, erklärt Inge Werner. „Auf dieser Basis haben wir die akuten und chronischen Risiken bewertet und auch das Risiko von Substanzmischungen betrachtet“ (genaue Methodik: siehe Kasten).
Risiken durch PSM-Mischungen in allen drei Untersuchungsjahren
Die Ergebnisse sind brisant und zeigen, dass Fische durch PSM akut und chronisch gefährdet sind. Bereits als Einzelstoffe besonders relevant waren das Pyrethroid-Insektizid λ-Cyhalothrin und zwei Fungizide, Carbendazim und Fenpropimorph. Von λ-Cyhalothrin ging 2017 sowohl ein akutes als auch ein chronisches Risiko aus. Auch Carbendazim (akut) und Fenpropimorph (chronisch) waren in diesem Jahr für ein Einzelstoffrisiko verantwortlich. Als Mischung betrachtet waren die PSM-Konzentrationen 2017 an zwei der fünf untersuchten Standorten im akuten Risikobereich. Ein chronisches Mischungsrisiko bestand 2012 für zwei, und 2015 und 2017 für je einen der fünf Standorte. In allen drei Untersuchungsjahren war das Risiko der PSM-Mischungen für Fische im Zeitraum von Mitte bis Ende April am grössten.
Welche PSM sind besonders relevant?
Die Forschenden priorisierten die PSM, die am meisten zum Toxizitätsrisiko beitrugen (siehe Tabelle): Dies waren 5 Insektizide, 4 Herbizide und 9 Fungizide. 8 PSM waren in mehreren Untersuchungsjahren relevant. Pyrethroid-Insektizide wie Cypermethrin und λ-Cyhalothrin wurden nur 2017 an einem der Standorte analysiert und sind besonders giftig für Fische.
PSM bewirken subletale und indirekte Effekte
Bedeutet das ermittelte Risiko, dass Fischpopulationen durch PSM tatsächlich geschädigt werden? Um diese Frage zu beantworten, haben die Wissenschaftler die Literatur durchforstet. «Für die meisten einheimischen Fischarten gibt es leider keine Toxizitätsdaten. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass Lachsartige besonders empfindlich auf Schadstoffe reagieren. Auch frühe Lebensstadien, vor allem Fischlarven, sind besonders sensibel. Die klassische Risikobewertung berücksichtigt zudem nur Wirkungen, die direkt populationsrelevant sind wie Mortalität oder geringere Vermehrung», sagt Inge Werner. «Es gibt jedoch viele messbare subletale Effekte auf Ebene der Zellen (z.B. Genexpression, Enzymaktivität), des Stoffwechsels (z.B. Organschäden, Immunabwehr) oder der Einzeltiere (z.B. Verhalten, Wachstum). Solche Effekte können sich unter bestimmten Bedingungen auch auf die Population auswirken.» Subletale Effekte treten meist schon bei sehr geringen Schadstoffkonzentrationen auf, die weit unterhalb des Bereichs liegen, wo es zur direkten Sterblichkeit kommt. PSM können ausserdem indirekt wirken, indem sie empfindliche Wirbellose schädigen, die Fischen als Nahrung dienen. Die Verringerung des Nahrungsangebots kann sich negativ auf die Fischpopulation auswirken.
Subletale Effekte auf Fische sind wahrscheinlich
„Wir haben die in der Literatur vorhandenen Effektkonzentrationen mit den Messwerten in Schweizer Bächen verglichen“, erklärt Inge Werner. Subletale Effekte können unter Laborbedingungen bereits in umweltrelevanten Konzentrationsbereichen auftreten. So beeinträchtigten einige der priorisierten Insektizide, Herbizide und Fungizide bei Fischen die Frühentwicklung, das Wachstum, die Reproduktion, den Geruchssinn und das Verhalten und bewirkten Gewebeveränderungen, und das bereits bei einer Exponierung gegenüber Einzelsubstanzen. PSM kommen in natürlichen Fliessgewässern jedoch meist in komplexen Mischungen vor, was solche Effekte noch wahrscheinlicher macht. Zusätzliche Stressfaktoren, die auf Fische in Gewässern wirken, wie Temperaturstress, Krankheitserreger und Parasiten, können die Wirkung von PSM verstärken. „Das Ausmass von solchen Effekten hängt jedoch stark von standortspezifischen Faktoren, der Expositionsdynamik und der Empfindlichkeit der vorkommenden Fischarten ab“, sagt Inge Werner.
Mehr Informationen
Schneeweiss, A., Junghans, M., Segner, H., Stadtlander, T., Werner, I. (2019) Ökotoxikologische Risiken von PSM für Fische. Aqua & Gas 11, 74-80
Schneeweiss, A., Segner, H, Stadtlander, T., Werner, I. (2019) Ökotoxikologische Wirkungen Schweiz-relevanter Pflanzenschutzmittel für Fische. Aqua & Gas 11, 82-91